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Erschließen und Erstellen, Pressetext

Zeichnungen im Raum aus Draht
Projektionen
Text
im Zusammenhang der Arbeit der Erschließungsfirma und des Betonteile-Werks in der Firma IQ-Haus.

Draht
In der Lagerhalle des Erschließungsunternehmens sind Gegenstände (Paletten /Gabelstapler etc.) aus Draht als dreidimensionale Zeichnungen in natürlicher Größe in den gebenen Raum eingefügt.

Eine Schichten-Karte zeigt die unterschiedlichen Ebenen der Erschließung eines Neubaugebietes (Kanalisation, Wasserversorgung, Energie, Kommunikation, Straßen, Straßennebenflächen, Laternen, Fahrradwege etc.)

Transportstapelungen der Betonmodule im Modell. (Im Rahmen gewisser Bemaßungsgrundlagen eröffnet sich eine große Anzahl von Möglichkeiten, die das Individuum in Frage stellen.)

Projektion
Langzeitbelichtungen und Zeitraffer aus dem Betonfertigteil-Werk

Zeitraffer: Menschen als Einheiten im zyklischen Fluß der Reichstagsbegehung. Halten wir diesen Fluß an, sehen wir das Innere, die Babyfütterung auf der Terrasse und beschreiben damit das Spannungsfeld, in dem sich der Komplex Erschließen/Erstellen befindet.

Text
Arbeits- und Recherchenbericht. Die beteiligten Berufssprachen dienen zwar vornehmlich zur Kommunikation und Koordination der beteiligten Probleme, können aber auch als Beschreibung und Charakterisierung des zugrundeliegenden Denkens gelesen werden.

 

Erschließen und Erstellen
Sibylle Hofter, Areale 99, Kunst im industriellen Sektor

Zeichnungen im Raum aus Draht
Video-Projektion
Texte von Dirk Baecker und S. Hofter

Eine Schichten-Karte zeigt die unterschiedlichen Ebenen der Er-schließung eines Neubaugebietes (Kanalisation, Wasserversorgung, Energie, Kommunikation, Straßen, Straßennebenflächen, Laternen, Fahrradwege etc.)

(Im Rahmen gewisser Bemaßungsgrundlagen eröffnet sich eine gro-ße Anzahl von Möglichkeiten, die das Individuum in Frage stellen.)

Zeitraffer: Menschen als Einheiten im zyklischen Fluß der Reichs-tagsbegehung. Halten wir diesen Fluß an, sehen wir das Innere, die Babyfütterung auf der Terrasse und beschreiben damit das Span-nungsfeld, in dem sich der Komplex Erschließen/Erstellen befindet.

Text
Die beteiligten Berufssprachen dienen zwar vornehmlich zur Kommunikation und Koordination der beteiligten Probleme, können aber auch als Beschreibung und Charakterisierung des zugrundeliegen-den Denkens gelesen werden.

 

Katalogbeitrag

28.6.98 / April 99
Schon in meiner Arbeit für "Konsum" 1995 habe ich mich mit dem Gewerbegebiet Linthe und seiner Lage an der Autobahn beschäftigt.
Seither hat sich die Situation wohl nicht grundsätzlich verändert, Au-tobahnen sind Rückgrate der deutschen Landschaft. Angelagert sind die Logistikorgane. Niemand der Bewohner des Hinterlandes kann sich von dieser Funktion lossagen, es sei denn, er erledige alles in der Großstadt.
Einige der Gebiete sind ungefüllte Strukturen. Hier haben die Hoff-nungen von Gemeinderäten die Form von Wasserleitungen, betongepflasterten Wegen und gestützten jungen Ahornen angenommen. Linthe hat es besser getroffen, dem Fertighauslieferanten und dem Tiger im Tank sind andere gefolgt, bis das erschlossene Gebiet er-weitert werden konnte. Linthe wächst.
Schon die Erdölbohrer erschlossen immer alles. Ein Gebiet für eine bestimmte Nutzung aufzuschließen, bedeutet vorhandene Infrastrukturen zu schließen. Das Wort Erschließen leugnet perspektivisch zu sein. Erschließung ist eine Verschiebung von Durchlässigkeiten. Wasserleitungen, Straßen mit geradestehenden Bäumchen.
Vielleicht spricht das Wort auch nur von Grenzen, von ein-schließen und aus-schließen. In dem Moment, da die Unterschiede diesseits und jenseits der Grenze groß sind, werden auch die Grenzen bedeut-samer.
Die Grenzen innerhalb des Komplexes sind virtuell, d.h. keine qualitativen Grenzen, sondern Kompetenzgrenzen, Eigentums-, Zuständigkeits- und Verfügungsrechtsgrenzen.

Wir sind versucht, ein Gewerbegebiet wie Linthe als Peripherie zu bezeichnen.

Ein geplantes Gewerbegebiet verspricht erfolgreich zu sein, wenn es a) an einer Verkehrsader angesiedelt werden soll und b) an einem Schnittpunkt der Verbindungslinien konventioneller Zentren liegt. *
Zentren verändern ihre Qualität und scheinen sich immer mehr von den konventionellen Zentren weg an die Schnittpunkte ihrer Verbindungslinien zu verlagern . Dort liegen die Zentren für Waren, wäh-rend die zentralen Treffpunkte für Menschen weiterhin die konventionellen Zentren sind.


Alles muß raus
Die Verwaltung hat eine gewisse Dauerhaftigkeit in ihrem Aufenthalt, während die Zentren der Waren, jede einzelne Ware möglichst kurz-fristig beherbergen. Lagernde Ware ist ein Problem und eine Not-wendigkeit. Ein Problem, weil sie gebundene Investition ist, verstei-nertes Geld und wird im Jargon nicht realisierter Gewinn genannt. Eine Notwendigkeit, weil ihr Aufenthalt an einen berechenbaren Ort Voraussetzung für ihre Verfügbarkeit ist. Ford in Köln ist vor einem Monat über seine kostengünstige just in time Zulieferung gestolpert. Irgendein fehlender Fensterheber hat innerhalb weniger Tage Millio-nen-Verluste provoziert. Bei dem Zulieferer waren, laut Pressemittei-lung, die Computer zusammengebrochen. Der durchschnittliche Ver-bleib einer Ware in einem Geschäft wird in Korrellation zu den fixen Kosten den Preis der Ware mitbestimmen.

Ein Linienwerk, das die Metropolen und Ballungsgebiete Europas verbindet. hängt man es in der Waagerechten mit einem Faden auf, findet man den Schwerpunkt, das Gewerbegebiet der Superlative, den Hypermarchée par excellence.

Das System von Bleiben und Bewegen
Die Kurzfristigkeit bedingt den Bedarf an Verkehrsanbindung. Es entsteht ein System von Bleiben und Bewegen. Komplex wird es da-durch, daß am zeitlichen Anfangs- und Endpunkt jeweils Menschen stehen, als Produktionshelfer, Organisatoren und als diejenigen, die am Schluß alles wieder aufessen oder gegen den Baum fahren. Egal, wie schief alles gehen mag, das System funktioniert, selbst in einer Hungersnot und im Krieg.
Was funktioniert, ist in Balance. Wenn ein Zustand oder ein Absturz uns besonders unausgeglichen erscheint, führen wir eine Instanz ein, die im System keine Rolle spielt und fordern von ihr, daß sie es täte. Man könnte sie die urteilende oder (mit-) fühlende Instanz nennen.
Wenn in eine Flüssigkeit eine andere geschüttet wird, so mag im Glas eine Bewegung zeigen, daß ein Ungleichgewicht in Gleichgewicht überführt wird. Das die Bewegung erzeugende Ungleichgewicht ist Konsequenz des Schüttens. Und für das Schütten gibt es wiederum Gründe, die nicht in dem gegebenen System, sondern in einem großräumigeren liegen. Diese außerhalb in einem übergeordneten System liegenden Gründe funktionieren als Auslöser oder Einwirkungen.

Erschließung im Hier und Jetzt
Dreidimensionale Landkarte mit den verschiedenen Versorgungsebe-nen: Strom, Wasserversorgung, Wasserentsorgung, Kupfer- und Glasfaserdatenleitungen (Telefon, Fernsehen etc.), ggf. Geländerei-nigung (Entsorgung von Altlasten oder Rodung von Wald etc.), Geländebefestigung und Drainage, Straßenbau, Straßennebenflächen, Parkplätze, kommunale Begrünung, Fuß- und Fahrradwege, Hydranten und Straßenbeleuchtung, Straßen- und Verkehrsschilder.
Das alles will geplant sein und stellt eine wahre Orgie an Verordnungen dar, die befolgt werden. Die Planungsarbeit steuert sich als Kor-relation der Notwendigkeiten im wesentlichen selbst. D.h. auch der kreative Prozeßrest, das Aussuchen von Bäumen und Straßenlater-nen, läßt zwischen Sicherheits- und Preisvorgaben einen überschau-baren Entscheidungsspielraum. Zunächst einmal stellt sich das Ver-ständnis des Künstlers von Planung als Entscheidungsfindungsprozeß der offenen Art dar und würde dazu einen Gegensatz bilden. Dabei vergißt man natürlich, daß das, was sich im Erschließungsprozeß als Notwendigkeit darstellt, das historische Ergebnis vieler Entschei-dungen ist, deren Prioritäten gesetzt wurden. Dafür wurde das Wort Richtlinie erfunden. Damit wären wir wieder bei dem interessanten Thema warum gibt es im öffentlichen Raum keine Obstbäume und in den Parks kein Gemüse?

Begrenzung beschreibt die Grenze aus einer bestimmten Perspekti-ve. Die Grenze kennt kein Verhältnis von innen und außen, während die Begrenzung nur in den Verhältnissen von innen und außen zu denken ist.

Eine Auswilderung der Begrenzungen bedeutet steigende Entropie.

Noch und Schon weisen auf temporäre Grenzüberschreitungen hin. So beschreiben Pflanzen, die noch oder schon an einem Ort wachsen die zeitliche Verwischung einer Grenze.
Vor und Nach, sowie Vor und Hinter beschreiben die Grenze.

* dieses Wort benutze ich in Ermangelung eines kürzeren für die allgemein aner-kannten Zentren, London, Paris, Rom etc., die seit dem 19. Jhd ihre Qualität verändert haben.
Die polnischen Freunde vermittelten mir immer gerne, daß der Mittelpunkt Euro-pas nicht in Paris, Rom, London oder Rhein-Main liegt, sondern in einem Ort, der Piatek heißt, was man mit Freitag ins Deutsche übersetzen kann. Wenn man Euro-pa als Platte ausschneidet und in Piatek einen Faden zum Aufhängen befestigt, hängt die Platte waagerecht.