Spielfreiheit
Gespräch mit Thomas Kern, Kunststoffingenieur, Darmstadt, 29.7.96
Hier diese wunderbaren Begriffe,...
da ist einer, kontinuierliche und diskontinuierliche Prozesse, ist das irgendwie
wichtig?
Mh,... naja, z. B. ein Wasserrad, das läuft die ganze Zeit durch, produziert
die ganze Zeit Strom. Aber wenn Du Dir vorstellst, Du hättest einen Eimer,
der volläuft und dann runterfällt und Strom produziert, wäre
das diskontinuierlich.
Das heißt Spritzguß ist ein diskontinuierliches System...
...und Extrudieren, das gibts ja auch, ist ein kontinuierlicher Prozeß.
Die Röhren,...
...die laufen am Meter, kannst Du die Parameter schön einstellen bis die
Bedingungen stimmen. Dann läßt Du das durchrauschen.
Bindenaht...
Eine entscheidende Sache
Wir haben mal bei Progarden so Krüppel produziert. Die haben den Druck
runtergefahren und bei den Armlehnen fing die Lücke an. Wie kommen die
Stränge zusammen? Kleben die nicht wirklich?
Ja, es kommt auf die Bedingungen an. Dadurch, daß Du ein sehr hochviskoses
Material hast, hast Du im Prinzip keine turbulente Strömung, sondern hast
eine Schichtenströmung: was mal außen war, bleibt auch außen.
Läuft so durch.
Aber Du hast doch viel mehr Außenfläche jetzt?
Das spielt keine Rolle, die wird gedehnt. Das führt zu einer sehr starken
Orientierung der Moleküle. Dadurch, daß Du die durch die feine Düse
preßt, sind die ganzen Moleküle so richtig schön lang.
Ah, das wäre meine nächste Frage gewesen...
Alle so schön in Längsrichtung, auf jedenfall außen, bzw. außen
sind sie auch wieder nicht in Längsrichtung, das ist was anderes. Wenn
sie durch die Düse kommen sind sie auf jeden Fall alle noch schön
längs.
Dann haste ja ein Fließbild, ... (zeichnet)....also deine Fließfront.
Wenn man es flächig betrachtet ist das eine kreisförmige Fließfront...
Wir gehen ja von einer Fläche aus, du hast hier die Fläche und hier
den Angußpunkt, und jetzt bildet sich ja hier sowas wie eine Grenzströmung.
Diese Haut erkaltet natürlich sofort, wird aber gedehnt.
Das heißt, die strecken sich...
Das heißt die strecken sich, und zwar quer zur Fließrichtung, diese
Kalten legen sich an die Wand und alles dadrunter ist in Längsrichtung
orientiert.
Aber es ist ja nicht nur flächig es geht ja auch in die dritte Dimension,
das Ding wird ja nicht nur in die Richtung gedehnt, sondern auch nach oben gedehnt.
Hier ist z. B. ein Loch, also teilt sich der Strom auf, irgendwo fließt
der Krempel wieder zusammen, vorne ist eine kalte Haut. Im schlimmsten Fall,
wenn da gar kein Druck mehr dahinter ist, kleben sie sowieso nicht, sind nur
noch verhaftet. Wenn aber hier das Formteil aufhört und hier gehts noch
weiter, dann fließt ja von diesem Strang noch was da rein, das heißt
die Bindenaht, die entstanden ist, wird nochmal durchströmt. Dadurch hast
Du keine gerade Bindenaht, sondern eine sehr gute Verbindung, keine Schwachstelle
mehr.
Das ist ja auch das, was man heute durch Simulation macht... so ein Werkzeug
ist ja teuer, du simulierst dein Teil und kuckst, was haste für eine Bindenaht.
Bindenahtfestigkeit, das ist generell ein Problem, gerade wenn Du ein glasfaserverstärktes
Teil hast,...
Je heißer die Bindenaht, desto besser ist dort natürlich auch die
Haftung.
Ein gutes Beispiel ist die Pullmolldose, wo du einen runden Deckel hast, hier
ist ein Loch...
Ist die aus Plastik?
Innendrin ist die aus Kunststoff, in der Mitte wird angegossen, und hier ist
eine Bindenaht, weil hier das Loch ist, wenn du draufdrückst, brichts immer
an der Bindenaht.
Telefon... (Pause)
Wenn ich das Granulat mische,
orange und grün oder so, zeigt das diese Ströme oder vermischt sich
das bei der Plastifizierung zu einer grauen Suppe?
Dafür hast Du ja den Mischer, die Schnecke, nicht nur zur Erwärmung,
sondern eben zur Durchmischung. Der größte Teil der Wärme, die
in Kunststoff gebracht wird, wird nicht durch Heizung eingebracht, sondern einfach
durch die Mechanik, durch das Scheren des Materials.
Echt?
Da sind aber doch noch nicht die 200 bar oder so drin?
Nee, Du scherst das einfach, Schnecke dreht sich ja, das Material ist ja sehr
hoch viskos. Wenn du das im Wasser machen würdest, würde nichts passieren.
Jetzt dreht sich die Schnecke und dadurch bewegt sie sich nach hinten. Die wirkt
als Kolben und als Förderschnecke. Nach dem Spritzvorgang ist die vorne.
Jetzt dreht die sich, wie ein Fleischwolf und fördert das Material. Hinten
ist ein Zylinder, der auf die Schnecke drückt und nachher auch fördert.
Wenn ich den jetzt zurücklaufen lasse und gebe gar keinen Druck drauf,
dann fördert die einfach nur. Je nach dem, wie feste Du da hinten draufdrückst
und wie schnell Du das Ding drehen läßt, kannst Du das beliebig einstellen.
Du mußt vorsichtig sein, du kannst die Moleküle dadurch auch kaputt
machen. Das ist nicht so gesund fürs Material, aber es ist dafür ausgelegt.
Du willst es ja durchmischen.
Sag mal, dieser Schub, der da einmal in der Minute kommt, wird der durch den
Kolben hydraulisch gedrückt oder geht das über die Drehung der Schnecke?
Nee, nee, die drücken richtig, das geht ja rasend schnell, in Millisekunden
bis Sekunden füllst du das Ding.
In der Form sind doch die
Kühlschlangen...
Kühlrohre...
und das Kühlmittel, kommt das erst wenn der Guß fertig ist?
Nee, das läuft immer durch, ist ja in der Regel Wasser.
Wasser einfach?
Das ist ja nicht nur Kühlung, sondern Temperierung auf einen gewissen Level,
60 Grad, 80 Grad sind üblich. Je nach dem, wenn Du es 80 Grad fährst,
mußt du die Form heizen, auch wenn er 250 oder 300 Grad warm ist, weil
so einen hohen Energieinhalt hat Kunststoff auch wieder nicht. Kommt halt drauf
an, was man will, je höher die Wandtemperatur ist, umso weniger wird das
Material abgeschreckt. Wenn du sehr dünnwandige Teile spritzt, die sehr
schnell fertig werden müssen, mußt du möglichst schnell die
Wärme rauskriegen, also die Form möglichst kalt fahren. Aber wenn
es bei langen Fließwegen zu kalt ist, kann es sein, daß Dir der
Schmelzestrom einfriert.
...Aber vom Material her ist es egal, ob es schnell abgeschreckt wird, oder
schrumpft es dann mehr?
Abschrecken war eigentlich der falsche Begriff, aber es kommt dem schon nahe.
Es kommt aufs Material an: Es gibt ja teilkristalline und amorphe Kunststoffe.
PP ist teilkristallin, das hab ich nicht kapiert, es sind ja keine Kristalle,
die als Molekülverzweigung vorkommen?
Kristalle haben nichts mit Molekülverzweigung zu tun, Kristallanordnung
ist ja einfach nur eine regelmäßige Anordnung von irgendwas, ob das
Moleküle oder wie bei Salzen nur Atome sind, es ist halt regelmäßig,
schöne Schichten oder sonst irgendwas.
Wasser, da kann man wunderbar durchkucken ist amorph, da gibts immer irgendwo
eine Lücke wo man durchkucken kann.
Das kannst Du Dir so vorstellen, wenn du ein Molekül hast, das ganz einfach
gerade ist, dann gibt es Bereiche, wo mehrere nebeneinander liegen.
Damit hast Du teilkristalline Bereiche. Wo sich Kristalle bilden, wird Kristallisationswärme
frei. Weil die Natur immer versucht auf möglichst geringes Niveau zu kommen
usw. sind die im Prinzip bestrebt zu kristallisieren. Einfache gerade Moleküle
neigen eher zur Kristallisation.
Wie hält das zusammen?
Über Wasserstoffbrückenbindungen..., das, was das Wasser zusammenhält,
Das hab ich nicht verstanden,...
Was Wasserstoffbrückenbindungen sind?
... wenn Du Dir das Wasser ankuckst, das sieht ja klassischerweise so aus: 2
H ein O; so, dann haste hier ein anderes H2O. Der Wasserstoff, der neigt ja
eher dazu, Elektronen abzugeben; der Sauerstoff, der will sie eher haben, elektronegativer.
Also ist Wasserstoff doch eher ein bißchen positiver. Wenn die nebeneinander
liegen hast Du schöne Bindungskräfte. Dann weißt Du gar nicht
mehr genau, wo ist denn jetzt das H, ist es da oder eher da? Ist schon eher
da.
Das heißt, das ist bei dem C auch so?
Genau bei dem Polypropylen, sind auch viele Hs. Aber bei PVC haste Chlors drin,
die saugen unheimlich stark, und nehmen den Hs was weg, also haben die so ein
bißchen positive Ladung, deswegen hast Du beim PVC höhere Kräfte,
das Material ist widerstandsfähiger als PP zum Beispiel. Das macht nicht
so starke Wasserstoffbrückenbindungen, das C ist nicht so elektronegativ
und die Hs sind alle ganz zufrieden.
Jetzt zurück, wir kommen ja von dem Teilkristallinen... Wenn Du gerade
Moleküle hast, mehr oder weniger, unverzweigte, wo irgendwelche Noppen
draufstehen, so eine C-H Kette ist ja gleichmäßig und kann sich wunderbar
ein bißchen anordnen, teilkristallin. Wenn Du verzweigte Ketten hättest
oder welche, die irgendwie anders unregelmäßig sind, könnten
die sich nicht so toll aneinander legen, also wären die amorph. Kristalline
Bereiche haben auch andere Eigenschaften, halten in der Regel besser. Beim Amorphen
hast du gar keinen richtigen Schmelzpunkt, wenn es flüssig ist ist es zäh,
fließfähig und je kälter es wird, desto zäher wird das
ganze. Bis es irgendwann so zäh ist, daß man sagt, es ist hart, aber
es ist kein regelrechter Übergang, es wird einfach nur immer fester. Bei
Wasser z.B. das sind auch Kristalle, da hast du einen Punkt, wo es umkippt,
wo es hart wird und auch spröde. Und das Spröde ist gerade, was der
Kunststoff nicht so hat. Das hat man auch ganz gerne.
Wenn die Temperatur hoch geht, ändern sich die Kristalle?
Wenns geschmolzen ist, hast Du ja gar keine Kristalle, das kristallisiert in
dem Moment, wo es abkühlt.
Das Material kommt amorph (im Formnest) an. Wenn Du das ruckzuck abkühlst,
haben die Moleküle gar keine Zeit mehr sich anzuordnen, also bleiben sie
amorph. Während wenn du das schön langsam abkühlst, langsam unter
die Kristallisationstemperatur kommst, dann haben die wunderbar Zeit, haben
immer weniger zu tun, können sich schön aneinander legen.
Wenn du sagst, die liegen da noch nicht fest zusammen, da sind doch keine Zwischenräume?
Nee, so kann man das auch nicht sehen, die werden sich auch nicht total entknäulen,
die sind ja ziemlich lang die Moleküle, die liegen ja nicht wie so ein
Faden aneinander, in der Schmelze sind sie ja auch verknäult.
Wie so eine Garnrolle, wenn du die aus einander ziehst?
Ja, vielleicht so.
Ach ja, wie ist eigentlich
das Verhältnis von Einspritzzeit zu Zykluszeit?
Zykluszeitbestimmend ist im Prinzip die Kühlzeit. Die Einspritzzeit wird
nicht nach Kostenpunkten optimiert, sondern Du fragst dich, wie läuft dein
Prozeß am besten? Wenn ich zu langsam einspritze, friert es zu schnell
ein, wenn ich zu schnell einspritze, geht mein Material zu kaputt.
... Wenn Du schneller einspritzt, brauchst Du höheren Druck. - Du hast
ja dein Werkzeug auch ausgelegt: Ich habe den und den Druck, die und die Fläche,
also kommt hinten die und die Kraft raus, also brauche ich die und die Maschine.
... Dabei ist die Zuhaltekraft der Maschine interessant. Du weißt, ja
wie das Werkzeug zusammenhält. Also: Druck mal Fläche gibt ne Kraft.
Ich weiß so und so groß sind meine Formteile, aus Erfahrung weiß
man ich brauch den und den Druck, also brauch ich soviel Tonnen Zuhaltekraft,
also muß ich diese Maschine nehmen.
.. Es gibt Spritzgießer, die nehmen in der Regel Maschinen mit erhöhter
Zuhaltekraft im Vergleich zum Spritzvolumen, und andere gibts, die haben vergrößerte
Spritzeinheiten, weil sie mehr Schußvolumen im Vergleich zur Zuhaltekraft
brauchen, wenn du lange hohe Teile machst, hast Du unheimlich viel zu füllen,
aber wenn du das als Fläche nimmst hast Du eine kleine Fläche, also
brauchst gar nicht so eine große Maschine von der Zuhaltekraft her, aber
eine hohe Dosierung. Wenn Du jetzt große flache Teile hast, die ultradünn
sind, geht nicht viel Material rein, aber hast eine große Fläche,
also brauchst Du mehr Zuhaltekraft. Der Druck baut sich über den Fließweg
ab,...
Wegen der Undichtigkeit der Form?
...wegen der Scherkräfte. Das würde ja bedeuten, daß Du mehr
Volumen bringen mußt. Gegenüber Kunststoff sind die nicht undicht;
die Luft lassen sie raus, aber mehr auch nicht. Du hast ein bißchen Spalte
von ein bis zwei oder dreihundertstel Millimeter, da geht einfach kein Kunststoff
rein.
Da gibt´s dann ja die Bärte, wenn die Formen ausgelatscht sind.
Schwimmhäute...
Nach dreihunderttausend Stück oder so kommen doch diese Schwimmhäute,
daran sieht man doch, wie die Form verschleißt?...
Nicht unbedingt, eigentlich sollte sie da nicht undicht werden, Du hast ja ein
bißchen Mechanik da drin, die Auswerfer; Du beanspruchst das Material,
von innen hast du Druck, von außen drückst du drauf, wie verrückt.
Aber man kann Werkzeuge schon so bauen, daß sie eine sehr, sehr lange
Standzeit haben. Du könntest sagen Kunststoff kann die Form nicht kaputt
machen. Aber wenn Du jetzt mit zu hohem Druck oder, dadurch, daß du versucht
hast zu viel in die Form zu spritzen... Du kannst in der Regel mit jeder Spritzgießmaschine
so fest da rein drücken, daß du die Form auseinanderdrückst.
Du hast eine Riesenfläche, und bei Drücken bis zu 1500 bar drückst
du einfach alles auseinander.
...Du hast hier so ein fummeliges Teilchen und hast so einen Block Stahl dadrum.
Wenn man die Form zum erstem Mal einfährt, fängt man von unten an
und macht nur Teile, die nur halb voll sind, bis man sich so langsam angetastet
hat, wieviel geht denn rein.
Wenn Du die jetzt aber überspritzt die Form, kriegst Du eine Schwimmhaut,
und die wird kalt. Und mehrere hundert Tonnen, je nach dem, drücken die
Form zusammen, normaler weise war die ja mal plan, jetzt ist aber nur an einer
einzigen Stelle ein bißchen Kunststoff dazwischen, also lastet ein Großteil
der Last nicht mehr auf der gesamten Fläche, sondern nur auf diesem kleinen
Teilchen, also führt das dazu, daß Du eine Beule in die Form kriegst.
Wenn Du da irgendeinen Strategen an der Spritzgießmaschine hast, der das
Ding regelmäßig überfüllt, oder Du von vorneherein eine
Maschine mit einer zu geringen Zuhaltekraft gewählt hast, verschleißt
deine Form natürlich auch schneller.
Bei so Massenartikeln versuchst Du natürlich möglichst an die Grenzen
der Maschine zu gehen.
Klar...
Die Prozesse werden immer ein bißchen nachgeregelt, und wenn Du nicht
aufpaßt, kommt eine andere Charge an Material, das vielleicht ein bißchen
weniger Druck braucht. Wenn es über Nacht läuft und überspritzt
jedes Mal hast Du die Schwimmhaut, irgendwann hast Du immer Schwimmhäute
und dann gehst Du natürlich hin und überschleifst die ganze Form.
Das Formteil ist danach ein bißchen dünner, aber das macht in der
Regel nichts.
Beim Formbau von Progarden machen die das mit Zahnarztbohrern...
Die Form ist hart, die kannst Du nicht mehr spanend bearbeiten, nur schleifen.
Vorher, wenn der Stahl angeliefert wird, ist er noch spanend bearbeitbar, du
machst so das Grobe, dann gibst Du ihn zu Härten. Danach fängst Du
an zu schleifen. Oder aber Du nimmst gleich einen durchgehärteten Klotz,
denn das Härten ist auch nicht so ohne, dabei verzieht der Stahl sich,
Spannungen kommen rein.
Oder Du nimmst einen harten Klotz und erodierst die Form rein. Du machst ein
Positiv aus Kupfer, stellst das auf den Stahlblock und machst Strom an, dann
pritzelt sich das Ding darein. Das läßt man über Nacht oder
übers Wochenende machen.
Das ist wie Schweißen, nur umgekehrt?
Du gibst Strom drauf und es entsteht ein Lichtbogen, also wird das Material
geschmolzen, ich glaub es verdampft sogar. Das ganze findet in der Regel in
Petrolium statt.
Die Fläche auf der das stattfindet ist doch die ganze?
Wenn man es untersucht, ist es immer nur ein Punkt, so ein Lichtbogen dauert
nur, ich weiß nicht was für einen Bruchteil einer Sekunde; irgendein
Teil der Kupferelektrode ist ja immer ein bißchen dichter dran. Genau
wie ein Blitz, der ist ja auch nur an einer Stelle. Da ist dann ein Loch und
der Bogen macht an einer anderen Stelle weiter. Der Vorschub ist so gering,
daß Du keine Bewegung siehst.
Eine Stuhlform werden die nicht erodieren, es kommt da ja überhaupt nicht
auf genaue Maße an, im weichen Zustand kannst Du das alles schön
bearbeiten.
Kann mir vorstellen, daß die das durch Kopierfräsen machen, daß
die Fräsmaschine einen Pinn auf der anderen Seite hat und immer vorbeifühlt,
dann kannst du das am Prototypen abgreifen. Rein mechanisch, das ging auch schon
vor 30, 40 Jahren. Modernere Methode wäre, du nimmst den Prototyp und kannst
den mit einem Laser scannen, dann hast Du deine 3-dimensionale Geometrie, mit
der Du deine CNC-Maschine speisen kannst. Das ist dann auf elektronischem Wege
kopiergefräst.
Auf einem Blatt Papier ist das so eine Sache mit dem dreidimensionalen Konstruieren.
Die Designer sind meist schlechte Konstrukteure. Wenn man denen eine Zeichnung
hinhält, können die sich nix darunter vorstellen, die machen sich
lieber ein Modell. Der Konstrukteur geht nachher hin und zieht an das Freiformmodell
-im schlimmsten Fall- irgendwelche geraden Teile oder sonstwas dran, das irgendwie
paßt; er muß ja irgendwelche Zahlen auf die Zeichnung schreiben.
Freiform heißt, daß jemand mit einem Spachtel dagesessen hat?
Halt eine freie Form, keine Kugel, Gerade oder so.
Oder man hat ein Computerprogramm, mit dem man beispielsweise, den Spritzgießprozeß
simulieren kann, sodaß man keinen erfahrenen Mann braucht. Man gibt die
Geometrie ein, dann wählt man sich zunächst beliebig einen Einspritzpunkt
und kuckt mal, was passiert. Kuckt mal, wo Bindenähte rauskommen, kann
das beliebig weit treiben, kann Schwindung und Verzug berechnen, man kann die
Kühlzeitberechnen, die jetzt nicht nur auf einem Flächenmodell beruht,
-wenn man davon ausgeht, man hat eine Platte, die ist so und so dick, dann kann
man das mit dem Taschenrechner mit einem Dreizeiler mal eben schnell die Kühlzeit
ausrechnen- aber Du hast ja den Randeinfluß, den man gerne vernachlässigt,
aber der ist ja doch da.
Schwindung und Verzug, ein ganz großes Thema, ist mein Formteil nachher
gerade oder krumm? Wie kann ich dem begegnen? In dem ich beispielsweise mit
Rippen, mit Wandstärken spiele oder mit Angießpunkten.
Gibt´s auch Mehrfachangüsse?
Natürlich, die verschiedensten. Problem dabei ist, du hast wieder Bindenähte.
Da kannst im Simulationsprogramm kucken, kann ich diese Bindenähte nachträglich
noch durchströmen? Indem ich einen Anguß zu mache und nur noch durch
den anderen schiebe, da habe ich dann wieder eine Verzapfung. Was man auch machen
kann, sog. kaskadiertes Einspritzen. Bei sehr langen Teilen hast Du ja einen
sehr langen Fließweg, das heißt, du hast einen sehr großen
Druckradienten. Du hast ein sehr langes Teil, hier vorne habe ich 500 bar und
hier hinten habe ich Null. Wenn es noch länger ist kommt raus, daß
ich am Anfang 2000 bar brauche, das ist mir aber zu viel. Also unterteile ich
das Teil, spritze von hier aus los, bis hier hin brauche 200 bar, mehr will
ich nicht, also setze ich hier wieder einen Anguß hin und spritze wieder
mit 200 bar. Kaskadierend insofern, als daß erst dann die nächste
Düse aufmache, wenn die Fließfront da ist, so umgehe ich das Problem
mit den Bindenähten.
Du hast hier eine Fläche und einen Steg drunter,...
Materialanhäufung
...an dem Punkt hast du doch eine andere Schrumpfung, als ringsrum?
Dann gibts eine Einfallstelle. Das Werkzeug ist voll und kühlt ab, dabei
schrumpft das Material, hebt sich von der Wand ab, hier wo das alles schön
gleich dick ist, wird es gleichmäßig dünner. Hier hast Du mehr
Material und schrumpft auch mehr. Man versucht das zu umgehen, indem man Rippen
in der Regel nur in 70% der Dicke der normalen Wandstärke macht. Oder Du
mischst zwei verschiedene Kunststoffarten und kriegst dann ein Polymer, das
sowohl die Eigenschaften des einen, als auch des anderen hat, nur sind diese
Materialien eher teuer.
Die tun halt Kautschuk ins PP, damit es elastisch bleibt, bei Frost nicht bricht.
Das PP ist halt ziehmlich günstig, also versucht man das PP so zu modifizieren,
daß man alles damit machen kann.
Passungsluft 0, heißt
doch daß da keine...
Keine Luft geht ja nicht, ein definierter Spalt.
Spielfreiheit und Passungsluft 0 gibts nicht, man kann nur gegen Null gehen.
Auf Null arbeiten, ist nur eine Frage wie man mißt, 0 Zentimeter, 0 Mycrometer.
Null gibt es ja sowieso nicht, es gibt immer eine gewisse Toleranz, die vernünftig
ist. Die versucht man einzuhalten, man hat immer ein Maß von 10 mm +/-,
wie genau man es eben braucht. Bei Stühlen vielleicht ½ mm, bei
Schnappverbindungen vielleicht 1/10. Bei Legosteinen vielleicht 1/100.
?
Das sind echte High-Tech-Teile, genauso auch die Schalen für Fertiggerichte,
wieso das denn, habe ich auch gedacht. Einmal mußt Du einen Kunststoff
haben, der soll aromadicht sein, luftdicht, wasserdicht, nicht giftig, nichts
abgeben. Also nimmst Du eine Folie, eine ist wasserdicht, die nächste ist
aromadicht und so weiter. Also hast du eine Folie, die aus fünf verschiedenen
Materialien besteht. Zwischen jede Schicht muß im Prinzip noch eine Schicht
dazwischen, die dafür sorgt, daß die beiden Kunststoffe auch aneinander
haften. Dann hast du ganz viele Lagen, die sind alle nur im hunderstel Bereich
dick. Im Tiefziehverfahren machst du deine Schale, Du tutst das Essen am besten
rein, wenn sie noch heiß ist, denn die kommt ja steril daraus. Das Ding
im Wasserbad wird ja 100 Grad heiß, das Ding darf sich auch nicht verziehen,
wenn Du es dann auf den Tisch stellst, und der ist dann krumm, dann denkst Du,
was ist denn das für ein Scheiß...
Oder die Teile in den Überraschungseiern, diese Männeken, da gibt´s
z. B. einen Affen, der hat einen Körper, da sind Arme dran, Beine dran
und ein Kopf, auf dem Kopf sind Haare. Und die Kannst Du nicht nachher zusammensetzten,
also spritzt Du zuerst den Rumpf, aus einem Material mit einer hohen Schmelztemperatur,
dann nimmst Du den Rumpf, setzt den in ein anderes Werkzeug, und spritzt in
die Höhlung, die für die Beine vorgesehen sind, direkt den anderen
Kunststoff rein. Der Kunstsoff schmilzt durch den Kunststoff von den Beinen
nicht mehr auf, weil der eine höhere Schmelztemperatur hat. So, dann spritzt
Du den Kopf darein, und da spritzt Du dann noch die Haare drauf. Die müssen
aber wiederum haften...
Qualitätssicherung:: Die für die Funktion unbedingt nötige und
nicht die maximal mögliche Qualität sollte Maßstab sein..
Grundsätzlich gilt
[...] Qualität kann man nicht erprüfen, man muß sie durch gezielte
Maßnahmen im Fertigungsprozeß erreichen..
Fertigungsstreuungen: Abweichenungen von den Soll-Maßen
VDI-Verlag
Was ist Kunststoff?
Bei der Herstellung aller Kunststoffe werden aus Grundstoffen lange Molekülketten (Makromoleküle) zusammengefügt (polymerisiert):
Propylengas polymerisiert
zu Polypropylen.
Unter Druck werden die aus je 4 Kohlenstoff- und 10 Wasserstoffatomen bestehenden
Propylenmoleküle zu langen Ketten von durchschnittlich 80.000 Elementen
verbunden, zu Makromolekülen. Diese Polymerisation findet mittels eines
Katalysators unter Druck statt. Trotz der enormen Moleküllänge läßt
sich ihre Struktur selbst unter dem Rasterelektronenmikroskop nur erahnen.
Zwei der vier Kohlenstoffatome des Propylens sind mit einer Doppelbindung verbunden.
Der Katalysator spaltet diese auf und bindet das nächste Monomer (in diesem
Falle Propylen) an die Kette. Der Katalysator bleibt immer am Ende der Kette.
Die Ketten des PP (Polypropylen) sind nicht vernetzt und kaum verzweigt. Deshalb
ist es schmelzbar und der Klasse der Thermoplaste zuzuordnen. (Die stark vernetzten
Duroplaste dagegen sind unschmelzbar.)
Bei etwa 120 Grad C wird PP zu einem zähen Brei, deshalb muß z.B.
der Guß in eine Form unter Druck durchgeführt werden (Spritzguß).
Der Polymerissationsgrad beschreibt die durchschnittliche Kettenlänge des
Polymerisats, dabei gilt, je länger die Kette, desto zäher das Material.
Beim Erwärmen werden die Ketten kürzer und das wieder erkaltete Material
spröder.
Die Verwindungen der Ketten untereinander und ihr Kristallinitätsgrad,
dh. in wie weit sie regelmäßig aneinander liegen, sind für die
relative Festigkeit und Flexibilität des Materials verantwortlich.
In manchen Chemiebüchern werden die Verwindungen der Ketten untereinander mit gekochten Spaghetti verglichen...
Abstand von Atom zu Atom: etwas mehr als 0,1 Nanometer = 0,1 Millionstel Millimeter
1 PP-Molekül = 1/200 Millimeter (5 Micrometer)
Das Molekülmodell in
der Ausstellung müßte demnach, um vollständig zu sein, 11 km
messen.
Ein Stuhl besteht aus Milliarden solcher Moleküle.